Bevor wir uns den Brauereien des Saargebietes widmen, lassen sie mich ihnen einige gehaltvolle Vorinformationen geben. Dabei möchte ich nicht damit beginnen, dass Sumerer und Ägypter die ersten Menschen waren, die Bier gebraut und das Schlagwort vom „flüssigen Brot“ geprägt haben, sondern wir setzen bei den ersten Brauereien Deutschlands an.
„Als älteste, noch existierende Brauerei der Welt gilt die seit 1040 tätige Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan in Freising. Die älteste Klosterbrauerei der Welt befindet sich im Kloster Weltenburg bei Kelheim; sie ist seit 1050 in Betrieb. Den größten Technologieschub erfuhr die Brauereitechnologie 1876 mit der Einführung der Erzeugung künstlicher Kälte durch Linde’sche Ammoniakkompressoren, die Groß- und Exportbrauereien ermöglichte. Die größte Brauerei auf dem Kontinent lag Ende des 19. Jahrhunderts in Schwechat bei Wien, einige andere große Brauereien befanden sich in Mainz, Wien und München.“
Doch auch in unserer Saar-Region gab es bis 1908 mehr als ein Dutzend Brauereien, vergleicht man damit den heutigen Markt, sieht es eher trübe aus.
Gerade einmal drei haben sich am Markt behauptet, von den Kleinstbetrieben einmal abgesehen, wobei die dominante Position eindeutig durch die Karlsberg Brauerei in Homburg besetzt ist.
Zu den geschlossenen Brauereien zählen:
Sitz und Name der Brauerei
Dirmingen, Brauerei Schäfer
Merzig, Saarfürst Brauerei, auch Aktienbrauerei Merzig
Neunkirchen, Schloss Brauerei
Ottweiler, Brauerei Ottweiler
Riegelsberg, Brauerei Gross
Saarbrücken Neufang Brauerei
Saarlouis, Donner Brauerei/Donnerbräu
St. Ingbert, Becker Brauerei
St. Wendel, Brauerei Paque
Walsheim, Brauerei Walsheim
Auf dieser Website geht es primär um die Donnerbräu in Saarlouis. Doch kann man sich erst dann ein Gesamtbild ihrer Geschichte schaffen, wenn man zumindest einige weitere Brauereien und deren Entwicklung mit hinzuzieht.
Da wäre der ärgste Konkurrent der ersten Stunde, die Aktienbrauerei Merzig, dann die Brauerei, deren Geschäftsinhaber die Geschicke der Donnerbräu von 1938 bis 1954 mitlenkten, also die Schloss Brauerei aus Neunkirchen und natürlich die Brauerei, die die Donnerbräu übernahmen und den Betrieb später einstellten, die Becker Brauerei aus St. Ingbert.
Da es meine Angewohnheit ist auszuschweifen, werden natürlich kleine Exkursionen auch andere Brauereien ansprechen und natürlich darf auch ein allgemeiner Bierteil nicht fehlen. Aber lassen Sie uns nun mit dem eigentlichen Thema beginnen: der Donnerbräu.
Donnerbräu: Erste Betrachtungen und Überlegungen
Eine der regionalen Brauereien unserer Gegend, womit ich natürlich das Saarland meine, war die Donnerbräu Brauerei, die als Actien-Brauerei Saarlouis gegründet worden war und deren Kürzel „ABS“ oder später „db“ lautete.
Reste der Mauer entlang der „Wallerfanger Straße“. Sie wurde mittlerweile auch abgerissen.
Text: „db – donnerquell PILS – db“. Sammlung MAC.
Genau 80 Jahre lang, genauer von 1898 bis 1978, braute die Donner-Brauerei in Saarlouis 1 / Saarlautern 1 / Saarlouis, also der Saarlouiser Innenstadt, ihr „weithin“ bekanntes Donner-Bier.
Genau genommen gibt es bei dieser Aussage schon mal gleich zwei Probleme. Einmal erfolgte die Gründung in Form einer Aktiengesellschaft[1] zwar 1898, aber bis alle Produktionsstätten fertig gestellt waren und die Produktion starten konnte, gingen natürlich noch ein, zwei Jahre ins Land. Von einem Tag auf den anderen sind
nur Städte zu gründen – sie erinnern sich vielleicht noch an den Merksatz „753 Rom schlüpft aus dem Ei“? Und mit dem Bau der Gebäude und Installationen ist es natürlich nicht getan. Man muss die Logistik regeln, die Bedarfsmaterialen und deren Beschaffung sicherstellen, Arbeiter anlernen oder gelernte Arbeiter hinzuziehen, Absatzmärkte eruieren und was der Dinge mehr sind.
Zum anderen ist der Begriff „weithin“ relativ zu sehen und heutige Werbegrößen im Brauereimarkt wie Heineken/Karlsberg & Co. würden diese Aussage so höchst wahrscheinlich nicht unterschreiben oder vielleicht mit einem Schmunzeln.
Aber lassen Sie es mich vielleicht so formulieren: das Bier der Donnerbräu kam rum. Und nicht nur das. Das Bier und auch die Brauerei durchlebten und erlebten eine wahrlich wilde und turbulente Zeit: vom ausklingenden Kaiserreich mit seinen Kolonien, über die Weimarer Republik, Donner-Bier wurde „übrigens auch in Afrika“ [2] getrunken, wie auch so manch anderes deutsches Bier der damaligen Zeit, die Zeit des Nationalsozialismus, das selbstständige Saarland bis zum Saarland als Bundesland.
Doch nicht nur die politische Landschaft erwies sich als recht wechslungsreich, auch die Brauerei selbst hatte so manches zu verkraften, manchen Wechsel durchzustehen. So verzeichnete die Donnerbräu-Brauerei mit Oskar Tobias, Wilhelm Siegfried, Dr. Otto Schmidt und später seine Frau Else Schmidt geb. Klett, insgesamt vier Direktoren resp. Direktorinnen, mit Peter und Niko Becker zwei Geschäftsführer sowie zwei Übernahmen, auf die ich ebenfalls noch eingehen werde, wie auf die Umfirmierung und die insgesamt fünf Umbenennungen.
Hält man sich hierbei die Tatsache vor Augen, dass die Brauerei nur knapp achtzig Jahre existierte, kann man nur den Hut ziehen. Offensichtlich verging keine Dekade ohne einen speziellen Höhepunkt.
Die erste Frage, die sich uns stellte, betraf die wirtschaftliche Potenz der Brauerei. Denn achtzig Jahre hören sich zwar ganz ordentlich an, doch sagen sie noch nichts über den Erfolg aus. Der beste Indikator für die wirtschaftliche Potenz einer Brauerei stellen, in Ermangelung der tatsächlichen Absatzzahlen, sicherlich die Ausstoßzahlen dar; also lassen Sie uns diesen Wert benutzen.
Indikator „Ausstoß-Zahlen“ auf den ersten Blick
Auf den ersten Blick erzählen uns die Zahlen eine Erfolgsgeschichte. So steigerte sich der Ausstoß von 8.000-10.000 Hektolitern vor 1910 auf:
1911: 18.000 Hektoliter
1914: 27.000 Hektoliter
um 1920: 40.000 Hektoliter
1956/57: 72.270 Hektoliter[3]
Perfekt! Über 70.000 Hektoliter mehr als 1910, nun kann ich aufhören und folgern: „Die Donnerbräu war erfolgreich“.
Natürlich könnte ich das, doch es wäre leider mit einem sehr kasernierten Blick, denn ich hätte natürlich alle anderen Brauereien des Saargebietes schlicht übersehen. Und die schönsten Werte nutzen gar nichts, wenn man sie nicht in Relation zu anderen Werten setzen kann. Denken Sie einfach an folgendes Beispiel: eine Firma XYZ schreibt Ihnen, dass sie ihren Umsatz im letzten Geschäftsjahr verzehnfacht hat. Hört sich doch gut an, werden Sie jetzt vielleicht denken. Doch hatte die Firma vorher nur 10 Euro Umsatz, sind es im letzten Geschäftsjahr halt 100 Euro gewesen. Um aber nicht zu sehr vom Thema abzukommen ein vielleicht themenrelevanteres Beispiel
Was sind schon 70.000 Hektoliter Mehrausstoß, wenn viele der anderen Brauereien 1.000.000 Hektoliter mehr produzierten. Ich hoffe, dass ich das Problem verständlich beschrieben habe: Zahlen bedürfen Vergleichswerten.
Da demnach das schnelle Hurra-Schreiben nicht sehr produktiv wäre, erweitern wir unsere Sicht auf die diversen Brauereien, die in den folgenden Jahren teils auch als direkte Konkurrenten der Donnerbräu agierten. Und natürlich benutzen wir für diese Betrachtung das erfolgreichste Geschäftsjahr der Donnerbräu gemessen am Ausstoß, ein wenig Subjektivität kann doch gar nicht so schlimm sein.
Den größten Ausstoß verzeichnete die Donnerbräu im Geschäftsjahr 1956/1957 mit genau 72.269,89 Hektolitern. Im gleichen Jahr belief sich der Ausstoß der Becker-Brauerei auf 297.083,72 Hektoliter, der der Karlsberg Brauerei auf 346.698,30 Hektoliter und selbst die Neunkircher Schloss-Brauerei mit 164.174,21 Hektoliter sowie die Saarfürst Merzig mit 91.434,88 Hektoliter produzierten wesentlich mehr. Die Daten stammen vom Saarländischen Brauerei Verband und sollten somit als verifiziert gelten können.
Ein Teil der alten Mauer; Sammlung RODENA/AW
Da der obige Fließtext der nüchternen Wahrheit, wie ich finde, etwas die Schärfe nimmt, hier eine tabellarische Darstellung mit Angabe der Differenz Donnerbräu zu der jeweiligen anderen Brauerei.
Geschäftsjahr 1956/1957
Donnerbräu 72.269,89
Becker 97.083,72
Karlsberg 346.698,30
Schloss 164.174,21
Saarfürst 91.434,88
Differenz
224.81383
274.428,41
91.904,32
19.164,99
Angaben in Hektoliter; Quelle SBV
Das Fazit aus diesen Zahlen darf wohl ruhig lauten: Donnerbräu war eine recht kleine Brauerei, die es, wenn überhaupt mit Saarfürst und Schloss aufnehmen konnte, gegen Becker und Karlsberg schlicht chancenlos war.
Um den Punkt aber vielleicht noch etwas zu unterstreichen. Mit 85.676,88 Hektoliter hatte Becker 1946/1947 das schlechteste Geschäftsjahr, mit 68.797,78 Hektoliter Karlsberg im Geschäftsjahr 1944/1945. Es bedurfte also der direkten Kriegs- bzw. Nachkriegszeit, damit die beiden großen Brauereien mit Hinblick auf die Ausstoßzahlen so schlecht wurden, dass sie sich dem Optimum der Donnerbräu annäherten.
Aber lassen Sie uns den Indikator „Ausstoßzahlen“ weiter benutzen.
Gemäß den Angaben im Artikel „Karlsberg Brauerei“ in der deutsprachigen Wikipedia belief sich der Ausstoß von Karlsberg im Jahre 1956 auf 500.000[4] Hektoliter/Jahr. Im direkten Vergleich also eine doch recht beachtliche Differenz von +425.000 Hektolitern zur Donnerbräu. Der Unterschied des Zahlenwertes Wikipedia und SBV entsteht u.a. durch die Nicht-Berücksichtigung der Anteilsbrauereien und Übernahmen beim SBV-Zahlenwert.
Und selbst wenn man als Quelle Tina Grant nimmt, die die Jahresproduktion der Karlsberg Brauerei im Jahr 1958 auf 420.000
Hektolitern beziffert, kommt man immer noch auf eine Differenz von +345.000 Hektolitern.
Nun möchte ich hier die Donnerbräu nicht schlecht machen, sondern habe mir erlaubt einfach Zahlen sprechen zu lassen. Denn bei aller Sammelleidenschaft, bei allem Enthusiasmus, sollte man stets auch den Blick für die tatsächlichen Gegebenheiten bewahren. Vielleicht schlägt hier aber auch einfach der Informatiker in mir durch.
Afrikaexporte & Co.
Tina Grant gibt übrigens einen schönen Erklärungsansatz, oder zumindest eigenen Erklärungsansatz, für die Afrikaexporte der diversen Brauereien des Saargebietes und damit u.a. auch von Donnerbräu in dem sie diesen Satz als Einleitung nutzt: „Der Export von Flaschenbier nach Frankreich und seinen Kolonien in Afrika und Indochina...“[5].
Sie bezieht sich hier zwar auf die Karlsberg AG, aber Hand aufs Herz, was Karlsberg später konnte, dürfte Donnerbräu schon länger gekonnt haben. Von Interesse ist der Ansatz von Frau Grant aber auch deshalb, da es hier um tatsächlichen, professionellen Export ging und nicht nur um den anfänglichen Kleinstversand bzw. private Mitnahmen, wie es zur deutschen Kolonialzeit vorkam.
Damit wäre Donnerbräu, dies ist aber nur eine Vermutung meinerseits, wohl nach Afrika (z.B. frz. Algier), Südamerika (z.B. frz. Guyana) und Asien (frz. Vietkong/Indochina) gelangt; durch französische Getränkevertriebe als Zwischenhändler. Ein Szenario, dass sich natürlich primär in der Zeit von 1918 bis 1936 abgespielt haben dürfte.
Auch ein Artikel der ‚Linken Zeitung’ unterstützt diese Annahme, bezieht sich dabei aber primär auf die Walsheimer Brauerei. Sieht man von einigen Formulierungseigenheiten ab, stellt man fest, dass auch dieser Autor die Belieferung der französischen Kolonien als Erklärungsansatz untermauert.
„... Renaissance der Walsheimer Brauerei im Bliestal. Durch die „Heimkehr" der Saarländer ins Reich 1935 begann der Niedergang einer Brauerei von Weltgeltung, die ihr Bier damals schon bis nach Südamerika und Asien verkaufte. Mit Beginn der Nazischwemme aus der Pfalz, die NSDAP verfügte 1935 an der Saar noch über keinerlei eigene Strukturen, brachen nicht nur die Märkte in Frankreich und seinen Kolonien für die Walsheimer Brauerei weg, es kam noch schlimmer. Sehr schnell fanden die Nazis heraus, dass der Hauptaktionär der Walsheimer Brauerei, Dr. Kanter eine jüdische Mutter hatte. Auf Betreiben der Nazis wurde der Jude Dr. Kanter als Vorstand gefeuert und durch einen ‚rassisch reinen?’, linientreuen Parteigänger der Nazis ersetzt…
Walsheim Bierdeckel mit Darstellung der internationalen Depots;
Sammlung AW
… Mit einem Jahresbierausstoß, der Anfang der dreißiger Jahre bei etwa 300.000 hl lag, belieferte man nicht nur viele Teile Europas, sondern vor allem auch die damaligen französischen Kolonien. So trank man das beliebte Walsheim-Bier auch in Algier, Beirut, Madagaskar und sogar in einzelnen Großstädten Südamerikas.“
Um diesen Absatz zu beenden und die Inhalte von oben mehr oder weniger schlecht in einem Satz zusammen zu fassen: die Brauereien des Saargebietes nach 1918 mussten sich schlicht damit abfinden, dass sie nun eher Teil Frankreichs, denn Teil des Deutschen Reiches, waren. Somit verschoben sich die Absatzmärkte hin zu Frankreich und dessen Kolonien. Eine leicht nachvollziehbare und logische Entwicklung also.
Actien-Brauerei Saarlouis
Dieser erste Abschnitt umfasst die Jahre 1898 bis zum 1. Weltkrieg sowie einige Exkursionen in die Zeit vor 1898, damit man die Zusammenhänge besser verstehen kann. Die Donnerbräu trug in diesen Jahren den Namen „Actien-Brauerei Saarlouis“, später auch „Aktien-Brauerei Saarlouis“ sowie das Kürzel „ABS“.
Führen wir uns schnell noch einmal die Ausgangssituation vor Augen. Noch lange ins 19. Jahrhundert hinein, war das Bierbrauen nicht Sache von Großbrauereien, sondern gerade in den ländlichen Gebieten ein Nebenerwerbszweig in Form von Privatbrauereien, ähnlichen den Schnapsbrennereien, wie man sie noch heute auf dem Bliesgau finden kann. So gab es Anfang des 19. Jahrhunderts im Saargebiet noch über hundert dieser Kleinst-Brauereien, allein im Saar-Pfalz-Kreis über zwanzig Stück[6].
Brauereien in Saarlouis
In Saarlouis wurde dabei das Bier genauso früh oder spät gebraut wie in vielen anderen deutschen Städten und vor allem wie in der Region. Deutliche Zeugnisse für das Vorhandensein von Brauereien lange vor
der Donnerbräu sind die auch mit Stand 2009 existierenden Straßennamen wie „Alte-Brauerei-Straße“, „Bierstraße“ und „Neue-Brauerei-Straße“.
Sie wundern sich vielleicht über den zuletzt genannten Straßennamen, denn „Neue-Brauerei-Straße“, an der sich tatsächlich die Donnerbräu befand und heute noch die „Grüne Villa“ zu finden ist, klingt doch sehr nach einem Indiz, dass die Namensgeberin die „ABS“ gewesen ist. Nun hat ‚es klingt’ leider nichts mit ‚es ist so’ zu tun. Denn es spricht einiges dafür, dass es sich bei der eigentlichen Namensgeberin der „Neue-Brauerei-Straße“ um den Brauereibetrieb auf dem Gelände der 1831 - 1833 erbauten Kaserne X. handelt. Dieser war dort seit 1880 ansässig. Also rund 18 Jahre vor der Gründung der Donnerbräu.
Da nun nicht jeder Leser aus Saarlouis stammen wird, hier eine kleine Karte zum besseren Verständnis.
Sie wundern sich vielleicht über den zuletzt genannten Straßennamen, denn „Neue-Brauerei-Straße“, an der sich tatsächlich die Donnerbräu befand und heute noch die „Grüne Villa“ zu finden ist, klingt doch sehr nach einem Indiz, dass die Namensgeberin die „ABS“ gewesen ist. Nun hat ‚es klingt’ leider nichts mit ‚es ist so’ zu tun. Denn es spricht einiges dafür, dass es sich bei der eigentlichen Namensgeberin der „Neue-Brauerei-Straße“ um den Brauereibetrieb auf dem Gelände der 1831 - 1833 erbauten Kaserne X. handelt. Dieser war dort seit 1880 ansässig. Also rund 18 Jahre vor der Gründung der Donnerbräu.
Da nun nicht jeder Leser aus Saarlouis stammen wird, hier eine kleine Karte zum besseren Verständnis.
Openstreetmap.org: Kartenausschnitt Saarlouis; der Bereich Alte-Brauerei-Straße
und Bierstraße gehört dabei der „Saarlouiser Altstadt“ an.
Eine weitere Quelle für das Bestehen von Brauereien in Saarlouis ist übrigens das Buch „Grundsätze der Finanzwissenschaft: mit besonderer Beziehung auf den preußischen Staat“ von Carl Julius Bergius aus dem Jahr 1865: „Die Mahlsteuer wird sowohl von den auf den städtischen Mühlen hergestellten, als auch von den in die Städte eingeführten Fabrikaten erhoben. Der Steuersatz für l Centner Waizen ist 2/3 Thlr. und für l Centner Roggen, Gerste, Buchwaizen und andere Getreidearten und Hülsenfrüchte 1/B Thlr., wenn daraus Mehl, Schrot, Graupen, Grütze und Gries durch eine Mühle bereitet werden. Malz und Getreide, welches zur Brennerei und Brauerei verwendet ist, unterliegt der Mahlsteuer nicht. Sie ist zu erlegen, bevor das Getreide zur Mühle kommt. Bewegliche Mahlmühlen, Handmühlen und Stampfen zu halten, ist in mahlsteuerpflichtigen Städten nicht erlaubt. In Breslau, Trier, Liegnitz, Brieg und Saarlouis wird die Mahlsteuer von allen Getreidearten zu demselben Satz erhoben...“ ff.
Doch lassen Sie uns das Vorhandensein einzelner Brauereibetriebe jetzt einfach als verifiziert feststellen und zum eigentlichen Thema zurückkommen.
Der „Absatzmarkt“, falls man diesen vollmundigen Begriff wirklich verwenden möchte, der Hausbrauereien bzw. der Brauereien in Saarlouis und Umgebung, war aber mit dem Bedarf direkt vor der Haustüre identisch und somit aus Sicht großer Brauereien - vor allem heutigen - recht bescheiden; vergleichbar mit dem Ausstoß von Familienbrauereien (< 10.000 Hektoliter) oder wie in Mettlach; nennenswerte Exporte sind nicht zu verzeichnen gewesen. Eine echte Großbrauerei existierte in der Festungsstadt des Sonnenkönigs - gut, das war natürlich gegen Ende der 1890er Jahre schon eine kleine Weile her - aber eben nicht.
Denn die Brauerei Bechthold Saarlouis sah ihrem Ende 1880 entgegen, war somit zwar eindeutig älter als die Donnerbräu, aber halt ein typischer „Lokalversorger“, im besten Doppelsinn des Wortes.
Wie so häufig, wenn die beiden großen Ws, also Wille und Wissen, aufeinandertreffen, bewegt sich etwas. Das Wissen brachte der Braumeister Oskar Tobias mit, den Willen die Saarlouiser Bürger, die
sich an der neu zu gründenden Aktienbrauerei beteiligten. So wurde die Donnerbräu AG Saarlouis 1898 gegründet und ihre Produktion lief in den Jahren 1889/1900 an. So zumindest als Kurzfassung…
Dabei sollte man natürlich nicht verschweigen, dass die Gründer und auch die junge Brauerei mit Problemen zu kämpfen hatte, die aber, von Bau und Logistik abgesehen, alle mit der Entfestung der Stadt Saarlouis zusammen hingen und auf die wir gleich im Anschluss noch zu sprechen kommen. Aber, wie heißt es doch so schön: was uns nicht umbringt, macht uns nur härter.
Doch gehen wir der der Betrachtung Schritt für Schritt vor.
Beginnen sollten wir mit einer kleinen, sehr groben Liste, was eine Brauerei alles benötigt. Da wäre einmal die Fläche zum Bau der Gebäude, die Logistik zum Vertrieb des Ausstoßes (Nah-/Fern) sowie Produktionsgüter für das Bier und natürlich die Geldmittel für die (Erst-)Finanzierung der Unternehmung. Dies macht es mir nämlich wesentlich einfacher die nächsten Punkte zu strukturieren und uns allen bietet es den Vorteil sie besser zu verstehen.
Da eine Brauerei nicht losgelöst vom Umfeld existieren kann, sollten wir damit beginnen uns die Situation der Stadt Saarlouis um 1890 vor Augen führen. Gegründet und erbaut im Jahre 1680 als Festungsstadt hatte die Zeit der preußischen Fortifikation die vaubanschen[7] Gräben, Mauern und Festungsanlagen der Stadt nur noch höher und stärker werden lassen.
Dies zusammen mit den strengen preußischen Fortifikations-anweisungen führte schlicht zu Platzmangel in der Stadt. Das Nahgebiet um die Stadt, als Zone „non aedificandi“ (lat., dt. Zone ohne Gebäude) eingestuft, musste zudem ebenfalls frei bleiben.
Viel Befestigung und eine großzügige Freizone boten wenig Platz für
neue Betriebe; Sammlung ACW
Die Bauregelungen „intra-extra muros“ (lat., dt. inner- und außerhalb der Mauern) verschafften den Saarlouiser Bürger auch nicht mehr Bauplatz. Saarlouis hatte also in sich selbst und im direkten Gebiet um sich herum eigentlich keinen Platz für eine Brauerei oder überhaupt für Gebäude neuer Großunternehmungen. Dies führte unweigerlich dazu, dass die neuen Firmengründungen sich an den lebendigen, am Wachsen nicht behinderten, Stadtgründungen / Städten der näheren Umgebung ansiedelten, die darüber hinaus auch schon prosperierende Wirtschaftsstandorte darstellten. Im Nahbereich von Saarlouis also in Dillingen und Völklingen, den beiden Stahlzentren, die das Saargebiet für über 100 Jahre prägen sollten.
Eugen Wagner bringt die ganze Problematik in seinem Buch sehr schön auf den Punkt: „... Die späte Entfestung der Stadt war mit einer Gründe, wenn nicht der Hauptgrund, dass Saarlouis den Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung der benachbarten Saarstädte verpasste...“
Und wie heute, so auch damals. Ein Problem zieht das nächste Problem gleich nach sich. Da Saarlouis wirtschaftlich gesehen mehr oder weniger ein Ödland war, beschlossen die zuständigen Stellen, die Bahnverbindung ohne Berücksichtigung von Saarlouis zwischen den wirtschaftlich dominanten Zentren Dillingen und Völklingen verlaufen zu lassen. Für ernsthaften Massenexport aus oder nach Saarlouis ein logistischer Alptraum.
Der Saarlouiser Bahnhof in Fraulautern; Bild Sammlung PK
Doch damit nicht genug. Denn mit dem Saarlouiser Bahnhof hätte sowieso kein Massen-Importeuer/-Exporteur Freundschaft geschlossen. Hier griff nun ebenfalls wieder der Festungscharakter der Stadt Saarlouis.
Erbaut auf dem rechten Saarufer hatte man nur einen ernsthaften Übergang über die Saar vorgesehen. Denn jeder Übergang über den Fluss musste natürlich befestigt werden und diese Befestigung ist mit Stand 2009 immer noch in einem Straßennamen zu erkennen: die „Rodener Schanz“. Der Saarlouiser Bahnhof selbst war aber in Fraulautern, sprich man musste zuerst Richtung Roden über die Saar und dann noch ein ganzes Stück Richtung Fraulautern, bis man zum heimischen Bahnhof gelangt. Eine direkte und damit wesentlich kürzere Verbindung gab es nicht und die Logistik wurde damit sicherlich nicht einfacher.
Die richtige Ironie der Situation sollte man sich nochmals separat vor Augen führen. Saarlouis genoss nach der preußischen Machtübernahme durch ihren Festungscharakter, der seit 1680 existierte, besondere Aufmerksamkeit. Und durch die hohe Einschätzung des strategischen Charakters der Stadt wurde die Festung nach 1815 durch die Preußen noch mehr verstärkt.
Nachdem sich im Krieg von 1870/71 die Grenzen weiter nach Westen verschoben und durch die konsequente Weiterentwicklung der Waffentechnik, verlor Saarlouis als preußische Feste fast über Nacht seine militärische Bedeutung. Zurück blieb eine durch Wälle eingeschränkte Stadt, deren Kommunalpolitik alles daran setzte zumindest die Garnison zu halten um der städtischen Wirtschaft nicht den Todesstoß zu versetzen.
Saarlouis kostete also zwischen 1815 und 1871 beide Seiten derselben Medaille.
Diese Situation war für einen Wirtschaftsstandort natürlich nicht ewig zu ertragen. Und so kam es seit 1890 zur Entfestung der Stadt Saarlouis, wodurch die Plätze zwischen den Festungsanlagen im Stadtinneren und natürlich die Zone „non aedificandi“ endlich Bauland wurden und ausreichender Platz für Neuansiedlungen, vor allem natürlich Betrieben, geschaffen werden konnten und ein logischer Ausbau der Infrastruktur durchgeführt werden konnte.
Die Entfestung war also ein vollkommen logischer, klar nachvollziehbarer positiver Punkt. Leider vergisst man gerne, dass diese Sicht der Dinge aus der heutigen Perspektive sicherlich gerechtfertigt ist, ignoriert dabei aber komplett, was sie für die Zeitzeugen bedeutet haben muss.
Solch ein Tor lädt niemandem zum gemütlichen Handel ein. Es schottet ab.
Danke Jutta Seibel für die Aufnahme.
Denn diese oder zumindest Teile dieser Zeitzeugen werden die Entfestung als einen tief greifenden Wandel der Struktur der Stadt, des Gewohnten, wahrgenommen haben und je nach Einstellung positiv oder negativ kommentiert und bewertet haben, aber auf jeden Fall versucht haben sie mit zu gestalten. Und sei es auch nur in Form heftiger Diskussionen.
Ein Vorgang, den man eigentlich in allen Städten, die entfestigt wurden, so nachvollziehen kann. Interessanter Weise wird auch von ganz unterschiedlichen Autoren aufgezeigt, dass es häufig zu teils massiven Widerständen vor Ort kam, die nicht selten mit recht „nostalgischen Kommentaren“ über das Verschwinden der vertrauten Stadtstrukturen einhergingen. Es wäre schon als Wunder zu bezeichnen, wenn es Saarlouis besser ergangen wäre als Minden, Paris usw. Wobei die gleichen Autoren aber auch aufzeigen, dass gerade Industrielle und Wirtschaftler zu den innovationsfreudigen Bürgern gehörten - zumindest solange ihre Privatinteressen gewahrt wurden.
Bildausschnitt „Entfestungsarbeiten in Saarlouis“; deuframat.de,
Teilausschnitt, Anne Hahn. Ebenso: Sammlung PK
Da es aber unter Oskar Tobias die Gründung der „Actien-Brauerei Saarlouis“ 1898 gab und die Entfestung 1890 durchgeführt worden war, darf man wohl ohne größere Recherchen annehmen, dass sich zum Schluss die fortschrittlicheren Bürger durchsetzten.
Wobei man in diesem Zusammenhang auch erwähnen sollte, dass diesen fortschrittlicher eingestellten Bürger in Person des amtierenden Bürgermeisters Joseph Titz, der das Amt vom 02.06.1877 bis zum 01.02.1904 bekleidete, ein der Idee der Entfestung sehr wohl gesonnener Mensch zur Seite stand, der Auf- und Ausbau der Neustadt, gem. dem Plan von Stübben, außerhalb der Gräben mit forcierte. Nach Hans Peter Klauk fallen in seine Tätigkeitsjahre die Entstehung von „Amtsgericht mit Gefängnis, Gymnasium, katholische Volksschule, Hospital, neues Postamt, Schlachthaus, Wasserleitung, Kanalisation, Bau der städtischen Kleinbahn und evangelische Volksschule“[08]. Aufgreifenswert wäre mit der späteren Lage der Donnerbräu noch die Frage, ob die Stimmungen eher wegen
der „intra-extra-muros“-Frage oder wegen der Zone „non aedificandi“ hochkamen. Eine reine Vermutung, basierend auf der Mehrzahl anderer Stadt-entfestungen, wäre die Zone „non aedificandi“ (frz. Glacis) gewesen, also der Streifen rund um die Befestigungsanlagen, der unter Fortifikationsgültigkeit nicht bebaut werden durfte, bzw. bebaut sein durfte. Denn hier trafen sehr häufig Privatinteresse auf stadtplanerisches Interesse - oder noch schlimmer war es, wenn ungeklärte Privatinteressen vorlagen.
Ei wie lecker KANN MAN DA NUR NOCH SAGEN ;-)
Insgesamt kann man die Feststellung treffen, dass es der Actien-Brauerei zu gute kam, dass seit 1890 die Entfestung der Stadt endlich vorwärtsschritt und somit endlich etwas mehr Platz vor den Toren sowie im Kernbereich war und sich zu dem auch die Infrastruktur verbesserte. Denn diese Punkte hatten der Festungsstadt soviel Probleme bereitet, dass neben dem Soutyhof (1893), nach dem bekannten Heimatforscher H. J. Schu[09], die Actien-Brauerei Saarlouis (1898) eine der wenigen größeren Fabrikationsneugründungen in der Stadt zu dieser Zeit überhaupt gewesen ist.
Nun lassen Sie uns aber wieder kurz nachdenken. Denn die obige Aussage wollen wir nicht so einfach im Raum stehen lassen. Wieso war denn wohl gerade eine Brauerei eine der wenigen größeren Fabrikationsneugründungen? Nun, hier gibt es wohl eindeutig mehrere Faktoren zu nennen, die aber alle ineinandergriffen. Grundlage bildete sicherlich die seit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1870 immer stärker einsetzende Industrialisierung und das damit einhergehende Anwachsen der Bevölkerung, also der potentiellen Abnehmer für das Bier einer neuen Brauerei. Die Neugründung einer typisch saarländischen Industrie, also Grube oder Hütte, hätte durch fehlende Abbaustellen sowie die Dillinger Hütte und Völklinger Hütte direkt vor der Haustür, keine Chance besessen. Andererseits lagen die notwendigen Ressourcen für eine Brauerei quasi direkt vor der Stadt. Denn Lisdorf und Roden waren zu dieser Zeit noch ländliche Gebiete, deren Bauern genau die Dinge anbauten, die man neben dem Wasser zum Brauen benötigte. Für das notwendige Fachpersonal hatte zu dem die Schließung der letzten kleineren Brauereien in Saarlouis gesorgt. Zu dem konnten sich die Gründer um Oskar Tobias sicher sein, dass sie zumindest den lokalen Markt zu großen Teilen für sich vereinnahmen konnten. Denn die Logistik war um 1898 noch lange nicht so modern und schnell wie heute. So konnte eine Brauerei direkt in Saarlouis zeitlich und finanziell wesentlich flexibler agieren, als z.B. die schon am Saarlouiser Biermarkt präsente Actien-Brauerei Merzig. Zum Abschluss der Vorbetrachtungen noch ein Blick auf die ersten Symbole der Aktien-Brauerei Saarlouis
Schöne filigrane Arbeit im Schild, wobei sich diese in einem auf dem Kopf stehenden „B“ wie Brauerei befindet. Das Kürzel „ABS“ steht für „Actien-Brauerei Saarlouis“. Das Saarlouis nun wieder eine Brauerei hat zeigte die Actien-Brauerei dadurch, dass sie das Stadtwappen in ihr Corporated Design, u.a. auf den Bierdeckeln, integrierte. „Hopfen und Malz - Gott erhalt's“ - hört sich ja schon typisch bayrisch an. Beinahe so, als hätten die preußischen Brauer (Hinweis: Saarlouis gehörte zum preußischen Teil des Saarlandes) damals schon geahnt, dass die bayrischen Homburger, also Karlsberg, sie eines Tages übernehmen würden.
[1] Die erste Aktiengesellschaft in Deutschland war die Dillinger Hütte, also nur wenige Kilometer von Saarlouis entfernt; die Gründung erfolgte mit Genehmigung Napoléon Bonapartes im Jahre 1809.
[2] IN: SZ-Artikel „Beliebter Gerstensaft aus Saarlouis“ von Frauke Scholl, 2008
[3] Die im SZ-Artikel „Beliebter Gerstensaft aus Saarlouis“ angegebenen „175.000 Ende der 1950er Jahre“ (gem. Hektoliter) wurden nach einem persönlichen Gespräch im obigen Text korrigiert. Bei den anderen Angaben stimmen der SZ-Artikel und Claus Hoffmann-Güth in seinem Buch überein.
[4] Deutsprachige Wikipedia, Artikel "Karlsberg Brauerei", zuletzt zugegriffen am 04.10.2009.
[5] International directory of company histories, Band 41. Tina Grant. Verlag St. James Press, 2001. S.222.
[6] vgl. „Walsheim und seine Geschichte, Homburg 1988“, S.224ff. in Überarbeitung von Martin Wolter 2005
[7] Erklärung hilfsweise: Sébastien Le Prestre, Seigneur de Vauban, auch Marquis de Vauban (* 1. Mai oder 4. Mai (getauft am 15. Mai) 1633 in Saint-Léger-de-Foucheret (Dept. Yonne); † 30. März 1707 in Paris) war ein französischer General, Festungsbaumeister Ludwigs XIV. und Marschall von Frankreich.
[08] Angaben von saarlouis.de zu Person des Bürgermeisters.
[09] „Chronik der Stadt Saarlouis, 1680-1980: e. chronolog. Bericht über d. Entwicklung d. Festungsstadt“, Autor H. J. Schu, Verlag Saarbrücker Druckerei u. Verl., 1980. ISBN 392164626X, 9783921646267, Länge 160 Seiten.
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